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22. August 2020

Rezension zu "Freiraum" von Svenja Gräfen

Maren und Veja wünschen sich ein Baby – es in der anonymen Großstadt in einer verschimmelten kleinen Wohnung, deren Miete kontinuierlich steigt, aufzuziehen, ist für die beiden jedoch keine Option. Durch Marens Schwester Jo stoßen sie auf ein Wohnkollektiv: Menschen verschiedener Altersstufen und noch unterschiedlicheren Charakters leben in einem Haus mit Garten und Talblick zusammen. Zusammen, das ist ganz wichtig, und nicht nebeneinander her. 

Für das junge Paar steht schnell fest, dass es die Wohnung in der Stadt kündigen wird, um Teil dieser Gemeinschaft am Stadtrand zu werden und den Strukturen des Stadtlebens zu entfliehen. Doch bereits nach kurzer Zeit spürt Veja, dass das, was zunächst wie das Paradies wirkte, ein ganz eigener Mikrokosmos ist, in dem Wahrheiten verschwiegen werden und wie dunkle Wolken über den Bewohnern schweben. Wird dies tatsächlich der Ort, an dem Maren und Veja glücklich werden und ihre Träume verwirklichen können? 

Wisst ihr, was ich an Svenja Gräfens Romanen mag? Es braucht keine Eingewöhnungsphase. Ich fange einfach an zu lesen und nach zwei Seiten bin ich in die Geschichte eingetaucht, obwohl ich noch niemanden kenne und keine Ahnung habe, in welche Richtung sich alles entwickeln wird. So war es bereits in Das Rauschen in unseren Köpfen und auch diesmal ging es mir wieder so. Erst ein kurzes Kennenlernen und schon habe ich mich heimisch gefühlt. 

In Freiraum legt Svenja Gräfen den inhaltlichen Fokus neben der Liebesgeschichte zwischen Maren und Veja auf eines der Probleme meiner Generation: das des Wohnens. Für die meisten von uns stellt sich gar nicht mehr die Frage, wie und wo wir leben möchten, sondern viel mehr, wo wir es uns irgendwie noch leisten können. Ich sehe in meinem eigenen Freundes- und Kollegenkreis zuhauf, wie Menschen entweder aus ihren bisherigen Wohnungen verdrängt werden oder wie sie im Gegensatz dazu in ihren jetzigen Wohnungen „gefangen” sind, obwohl sie nicht mehr zur jetzigen Lebenssituation passen – ein Umzug würde jedoch bedeuten, das bisherige soziale Umfeld verlassen zu müssen (wenn man denn überhaupt eine neue Bleibe findet). Aufgrund dieser Erfahrungen hat mich Freiraum im besonderen Maße gepackt.

Svenja Gräfen hat einen überzeugenden Roman abgeliefert, der nachdenklich stimmt und mich auch über das Lesen hinaus noch länger beschäftigt hat. Sie hat die Gabe, zu 100 % authentische Figuren zu erschaffen, deren Gedanken und Worte an keiner Stelle zu weit hergeholt oder unlogisch wirken. Das Ende hat mich für meinen Geschmack mit zu vielen Fragezeichen zurückgelassen, weil ich Romane am liebsten mit dem Wissen abschließe, wie es für „meine” Protagonisten ausgegangen ist bzw. weitergeht. Das soll Freiraum aber keinen Abbruch tun, sondern ist meine persönliche Präferenz.

"Freiraum" von Svenja Gräfen bekommt ★★★★ Sterne!

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